Sexueller Missbrauch

Was tun? Wie helfen?

Was können Betroffene für sich tun?

Der Weg, den Betroffene einschlagen, um mit dem Missbrauch umzugehen und ihn zu bewältigen, kann sehr unterschiedlich sein. Die Entscheidung sollte vor allem von ihren eigenen Gefühlen, Wünschen und persönlichen Möglichkeiten abhängig sein.

Eine erste Entlastung und Unterstützung für viele Betroffene ist es, mit einer Vertrauensperson (z.B. Freund*in) über den Missbrauch zu sprechen. Manche tun dies relativ bald nach Beendigung der Missbrauchshandlungen, andere erst nach Jahren.

Vielen Betroffenen hilft der Kontakt zu Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen mussten, z.B. in einer Selbsthilfegruppe.

Das Aufsuchen einer Fachberatungsstelle kann ein wichtiger Schritt bei der Suche nach dem individuell geeigneten Weg zur Verarbeitung der Gewalterfahrungen sein.

Frauennotrufe und andere Beratungsstellen bieten kostenlose Beratung und z.T. Therapie, sie vermitteln Adressen von erfahrenen Ärzt*innen, Therapeut*innen, Rechtsanwält*innen usw. In vielen Orten bieten sie auch Selbsthilfegruppen an.

Viele Betroffene machen eine Psychotherapie zur Bewältigung des Missbrauchs. Wichtig ist es, eine erfahrene therapeutische Fachkraft zu suchen, die sich mit dem Thema Missbrauch gut auskennt und bei der sich die betroffene Person gut aufgehoben fühlt.

Eine juristische Gegenwehr ist ebenfalls denkbar, sollte jedoch genau und mit professioneller Unterstützung erwogen werden.

Was kann das Umfeld tun?

Bei dem Verdacht auf sexuellen Missbrauch sollte überlegt und ruhig vorgegangen werden, Hektik und Aktionismus sind fehl am Platz

Viele Kinder werden über Jahre missbraucht. Der Wunsch, den Missbrauch sofort zu stoppen, ist verständlich – oft werden dabei aber Fehler gemacht, die die Situation des Kindes weiter verschlechtern. Kinder können – je nach Alter – noch nicht für sich selbst entscheiden, welche Hilfe sie brauchen oder welche Schritte gegen den Täter oder die Täterin nötig sind. Sie sind auf Bezugspersonen angewiesen.

Diese sind jedoch oftmals sehr stark emotional involviert und häufig selbst durch den Missbrauch des Kindes sehr belastet. Sie überfordern das Kind unter Umständen mit ihren Reaktionen, indem sie es z.B. mit ihren eigenen Gefühlen von Wut, Hilflosigkeit, Trauer, Ohnmacht oder Rachegefühlen übermäßig konfrontieren. So können sie häufig nicht richtig auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren.

Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch ist es deswegen sinnvoll, sich selbst eine Vertrauensperson (z.B. Freund*in, Kolleg*in) zu suchen, um mit ihr über den Verdacht, die eigenen Unsicherheiten und Zweifel zu sprechen, sowie professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Spezialisierte Fachberatungsstellen gegen sexuellen Missbrauch, wie z.B. Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe, die Beratungsstellen von Wildwasser oder Kinderschutz-Zentren bieten hier kostenlos die entsprechende fachkundige Beratung und Informationen über Handlungsmöglichkeiten, auch für verschiedene Berufsgruppen wie Erzieher*innen und Lehrer*innen. Mögliche Interventionen – wie z.B. Konfrontation einer Familie, eines vermeintlichen Täters oder eine Strafanzeige – sollten unbedingt mit professioneller Unterstützung erfolgen! Dasselbe gilt für den Umgang mit dem betroffenen Kind.

Für den Umgang mit einem betroffenen Kind sind folgende Hinweise wichtig:

Nehmen Sie sich viel Zeit

Missbrauchte Kinder schildern ihre Probleme nur sehr selten flüssig. Das Reden über den Missbrauch fällt ihnen meistens schwer. Kinder sollten niemals dazu gedrängt werden, über ihre Missbrauchserfahrungen zu sprechen!

Glauben Sie dem Kind und machen Sie deutlich, dass es keine Schuld trägt

Viele Kinder haben bereits mehrfach die Erfahrung gemacht, dass ihren Andeutungen oder auch klaren Aussagen nicht geglaubt wird und stehen unter einem starken Geheimhaltungsdruck. Aussagen wie „Ich weiß, dass Erwachsene mit Kindern Dinge machen können, die nicht in Ordnung sind“ können der Auslöser dafür sein, dass das Kind sich traut zu sprechen.  Es ist wichtig, dem Kind zu vermitteln, dass es für das Geschehen keine Verantwortung trägt, sondern diese allein beim Täter oder der Täterin liegt.

Schuldgefühle und Ängste bestehen meistens auch, weil das Kind in diesem Moment sein Versprechen gebrochen hat, nicht über den Missbrauch zu reden. Dem Kind sollten auf keinen Fall Vorwürfe gemacht werden, dass es nicht früher über den Missbrauch berichtet hat.

Das Kind sollte darin bestärkt werden, dass es richtig ist, nun zu sprechen. Drohungen seitens des Täters oder der Täterin sollten aufgegriffen und entdramatisiert werden.

Signalisieren Sie Bereitschaft, sich auch belastende Dinge anzuhören

Kinder spüren intuitiv, ob die Person, mit der sie sprechen, die Bereitschaft hat zuzuhören, und auch, ob sie belastbar ist. Wer die Konfrontation mit Missbrauchserfahrungen nicht oder nur schwer aushalten kann, ist nicht die richtige Gesprächsperson für ein Kind. Ungünstig sind Aussprüche wie „Das ist ja furchtbar“, „Wie schrecklich, wie entsetzlich“ gegenüber dem Kind.

Ermutigen Sie das Kind, Gefühle auszusprechen und loben Sie es für seinen Mut

Zeigen Sie dem Kind, dass alle Gefühle erlaubt sind: Wut, Hass, Enttäuschung, aber auch Liebe oder Sympathie für den Täter oder die Täterin. Gerade wenn es sich um eine vertraute Person handelt, haben Kinder oftmals ambivalente Gefühle gegenüber dieser Person.

Wichtig ist es auch, das Kind dafür zu loben, dass es sich trotz des Verbotes getraut hat, über den Missbrauch zu reden. Ebenso sollte das Kind für seinen Mut gelobt werden, sich Hilfe zu holen.

Bleiben Sie bei den Bedürfnissen des Kindes

Oftmals wollen Kinder zunächst einmal nur loswerden, was geschehen ist. Voreilige Hilfsangebote oder Versprechungen schrecken viele Kinder mit Missbrauchserfahrungen ab, da sie Angst haben, dass etwas über ihren eigenen Willen hinweg geschieht, über das sie keine Kontrolle mehr haben.

Die betroffenen Kinder und Jugendlichen haben einen einschneidenden Vertrauensmissbrauch erlebt und ihre Selbstbestimmung wurde massiv missachtet. Personen, an die sich das Kind nun wendet, sollten das Vertrauen nicht missbrauchen, und sie sollten verlässlich sein. Insbesondere bei Jugendlichen darf nichts über ihren Willen hinweg entschieden werden.

Bieten Sie die Vermittlung professioneller Unterstützung an

Nicht alle Kinder oder Jugendlichen mit Missbrauchserfahrung brauchen zwangsläufig eine Therapie und sollten auch nicht dazu gezwungen werden. Die Information darüber, dass es die Möglichkeit von Beratungen und Therapien gibt, ist für ältere Kinder und Jugendliche aber hilfreich. Adressen von Kinder- und Jugendtherapeut*innen können über die Krankenkassen erfragt werden sowie über Fachberatungsstellen (z.B. Erziehungsberatung, Kinderschutz-Zentren).