Gewaltschutz und Flucht:
Welche Auswirkungen hat das neue Sexualstrafrecht auf aufenthaltsrechtliche Regelungen?

Seit November 2016 ist das neue Sexualstrafrecht in Deutschland in Kraft, mit dem das lange geforderte „Nein heißt Nein“ umgesetzt wurde. Mit dem neuen Gesetz ist ein sexueller Übergriff schon dann strafbar, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird. Mit dem neuen Sexualstrafrecht wurden jedoch auch verschärfte Regelungen im Aufenthaltsrecht beschlossen.

Dabei geht es sowohl um das Ausweisungsrecht als auch um die Möglichkeit der Abschiebung. Eine Ausweisung bedeutet, dass eine Person, die einen Aufenthaltstitel in Deutschland hat, dieser entzogen wird. Es bedeutet nicht, dass diese Person auch zwingend abgeschoben werden kann, denn häufig ist dies tatsächlich oder rechtlich nicht möglich. In diesem Fall wird den Personen die Teilhabe in vielen gesellschaftlichen Bereichen, wie etwa die Arbeitserlaubnis, die Teilnahme am Integrationskurs etc. verweigert (siehe Glossar).

Im Aufenthaltsgesetz ist dafür die Formulierung des Ausweisungsinteresses relevant, das in bestimmten Fällen besonders schwer oder schwer wiegen kann (§ 54 AufenthaltsG). Bisher wog gem. § 54 Abs. 1 AufenthaltsG das Ausweisungsinteresse besonders schwer und wurde meist bei Personen verhängt, die zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr verurteilt wurden, wenn sie bei der Tat Gewalt anwandten oder qualifiziert gedroht hatten etc. Künftig wird das Ausweisungsinteresse bei jeder Verurteilung nach § 177 StGB schwer wiegen und demnach eine Ausweisung oder Abschiebung erleichtern. Neben den Ausweisungen sollen Abschiebungen zukünftig auch dann möglich sein, selbst wenn den Personen in ihrem Herkunftsland Gefahren drohen oder sie asylberechtigt sind. Gem. § 60 Abs. AufenthG soll auch dann in diesen Fällen abgeschoben werden können, wenn eine Person wegen einer Straftat nach § 177 StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr verurteilt wurde. Das heißt Personen können vom Flüchtlingsschutz ausgeschlossen werden, sie erhalten keine Flüchtlingszuerkennung. Es muss aber immer noch entweder durch die Ausländerbehörde oder das BAMF geprüft werden, ob Abschiebehindernisse vorliegen. Droht der Person im Herkunftsland z.B. die Todesstrafe oder menschenrechtswidrige Haft o.ä., kann sie auch weiterhin nicht abgeschoben werden.

Mit dieser Verschärfung erfolgt eine härtere Bestrafung von Täter*innen ohne deutschen Pass, da diese zusätzlich zu ihrer Verurteilung nach dem StGB mit negativen Auswirkungen auf ihren Aufenthaltsstatus rechnen müssen. Zu befürchten sind zudem negative Auswirkungen auf die Anzeigebereitschaft von Betroffenen, die eine*n ihne*n bekannte*n Täter*in ohne deutschen Pass möglicherweise nicht anzeigen, wenn dadurch seine Ausweisung droht.

Außerdem neu eingeführt wurde das Delikt der Straftaten aus einer Gruppe heraus (§184j StGB). Demnach macht sich strafbar, „wer sich an einer Personengruppe beteiligt, die eine andere Person zur Begehung einer Straftat an ihr bedrängt“. Dadurch können Menschen für eine Handlung bestraft werden, die sie selbst weder begangen noch vorhergesehen haben. Diese Norm ist eine politische Reaktion auf die Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16, in deren medialer Aufbereitung der Eindruck erweckt wurde, sexuelle Übergriffe in Deutschland seien hauptsächlich ein Problem nicht-„biodeutscher“ Täter. Es ist zu befürchten, dass die Definition von Gruppenzugehörigkeit sich künftig genau nach diesem Kriterium richten.