Interview mit Prof. Dr. Nivedita Prasad, Helin Yakut und Kathrin Blaha von der Beschwerdestelle der Alice Salomon Hochschule Berlin

„Es ist eine große Sache ein Instrument zu haben, das uns befähigt eine Aussage darüber zu treffen, dass eine Diskriminierung stattgefunden hat. Auch das ist Macht und kann für die Betroffenen sehr bestärkend sein, indem das Unrecht, was sie erlebt haben anerkannt wird.“

Die Alice Salomon Hochschule (ASH) in Berlin ist die größte staatliche Hochschule für sog. „SAGE“ Professionen (Sozialen Arbeit, Gesundheit und Erziehung). Seit 2020 verfügt sie über eine Antidiskriminierungssatzung in Kraft getreten 2021), in der die Einrichtung einer Beschwerdestelle festgeschrieben wurde. Diese hat ihre Arbeit im Januar 2022 aufgenommen und fungiert als Beschwerdestelle nach §13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Derzeit ist die Beschwerdestelle der ASH besetzt durch:

Prof. Dr. Nivedita Prasad ist Mitglied der Beschwerdestelle (eingesetzt durch die Hochschulleitung) und Professorin für Handlungsmethoden und genderspezifische Soziale Arbeit. Sie hat die Schwerpunktprofessur für Gleichstellung, Diversität und Antidiskriminierung inne und leitet den Studiengang „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession.“

Helin Yakut ist studentisches Mitglied der Beschwerdestelle (eingesetzt durch die ASH-Antidiskriminierungskommission). Sie ist ASH-Studentin der Sozialen Arbeit und hat einen Abschluss in Philosophie und Islamwissenschaft. Helin Yakut hat ihre Praxisphase beim Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (ADNB des TBB) absolviert.

Kathrin Blaha ist Mitglied der Beschwerdestelle (eingesetzt durch die ASH-Antidiskriminierungskommission). Als Promovendin forscht sie zur Konstruktion von Behinderung an den Schnittstellen zwischen Disability Studies und Kulturwissenschaften.

Die Geschäftsstelle der ASH-Beschwerdestelle wird von Peps Gutsche geleitet (Koordination).

Liebes Team der Beschwerdestelle, vielen Dank für die Bereitschaft zu diesem Interview. Ich möchte mit einer ganz grundlegenden Frage starten: Was macht die Beschwerdestelle der ASH und nach welcher Logik agiert sie?

Helin Yakut: Die Beschwerdestelle der Alice Salomon Hochschule gibt es seit Anfang 2022. Wir prüfen Diskriminierungsbeschwerden und richten uns dabei primär nach der Antidiskriminierungssatzung der ASH.

Wie ist der Vorgang, wenn sich Angehörige/ Studierende/ Mitarbeitende der ASH beschweren möchten? Woher wissen die Betroffenen, dass es euch gibt?

Helin Yakut: Wir bekommen Beschwerden i.d.R. schriftlich, meistens per E-Mail, wir nehmen Beschwerden aber auch per Brief an. In manchen Fällen hat zuvor schon eine Beratung durch das Netzwerk der Antidiskriminierungsberater*innen der ASH stattgefunden.

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Das ist einer der Wege, häufig sind aber auch Betroffene über Helin oder mich gekommen. Das finde ich wirklich wichtig, denn ich glaube, dass der Weg über die E-mail relativ hochschwellig ist.

Kathrin Blaha: Ich denke man kann sagen, dass es nicht den einen Beschwerdeweg gibt, da der Weg zu uns total unterschiedlich sein kann. Manche Personen finden uns vielleicht durch die Website, andere sind vielleicht schon bei mehreren Stellen gewesen, bis irgendwann der Name der Beschwerdestelle fällt.

Helin Yakut: Es gibt auf jeden Fall auch ein Webformular. Zudem sind auch anonyme Beschwerden möglich, indem sich eine Person nur bei einer von uns meldet. Durch unsere Rolle als Studentin bzw. Dozierende besteht häufig schon ein Vertrauen, da sie uns kennen.  

Kathrin Blaha: Bei vollkommen anonymen Beschwerden, durch bspw. einen Zettel in unserem Briefkasten, kann es zu Schwierigkeiten kommen. In diesen Fällen können wir keine Nachfragen an die Betroffenen stellen und diese auch nicht über Maßnahmen und den Abschlussbericht informieren. Wenn es eine vermittelnde Person dazwischen gibt ist das natürlich etwas anders.

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Wir können die Anonymität der Betroffenen wahren, leider können wir nicht sicherstellen, dass der Name nicht durch andere Personen bekannt gemacht wird. Dies könnte z.B. durch eine beschuldigte Person passieren, die sich rächen möchte.

Wie ist der Vorgang bei Eingang einer Beschwerde?

Helin Yakut:

  1. Es gibt eine Vorprüfung um festzustellen, ob die Beschwerde in den Anwendungsbereich der Satzung fällt: Liegt im Kontext der Alice Salomon Hochschule eine Diskriminierung vor bzw. kann dies vermutet werden? Wir haben auch schon Beschwerden über Diskriminierungen erhalten, die nicht im Kontext der Hochschule stattgefunden haben, wie bspw. Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt. Solchen Beschwerden können wir dann natürlich nicht nachgehen.
  2. Die betroffene Person erhält eine Eingangsbestätigung, in der die Verfahrensschritte und die Rechte der Person erläutert werden.
  3. Wir lesen erneut den Inhalt der Beschwerde und stellen ggf. Rückfragen bzw. bitten um ein Gedächtnisprotokoll. Manchmal treffen wir uns auch mit der Person um offene Fragen zu klären, z.B. ob es Zeug*innen gibt. Wir bieten diese Gespräche auf Deutsch und/oder Englisch an; betroffene Personen können zudem – wenn sie wollen – eine Person ihres Vertrauens mitbringen.
  4. Wir informieren die Person, gegen die sich die Beschwerde richtet und bitten in Form von einer Zusammenfassung der vorliegenden Beschwerde um Stellungnahme.
  5. Ggf. nehmen wir Kontakt mit Expert*innen auf, die über eine Expertise bzgl. Diskriminierung verfügen. Indem wir ihnen die anonymisierten Fälle schicken, bitten wir sie um ihre Analyse. Ggf. befragen wir auch Zeug*innen bzw. bitten diese um Stellungnahmen.
  6. Wir verfassen einen Abschlussbericht, der an die Hochschulleitung geschickt wird. Dieser umfasst unsere Bewertung darüber, ob wir eine Diskriminierung feststellen konnten, sowie Handlungsempfehlungen, die auf dem Katalog der Antidiskriminierungssatzung basieren. Daraufhin kann die Hochschulleitung über die Maßnahmen entscheiden und gibt uns diesbezüglich eine Rückmeldung. Falls sie sich gegen die Umsetzung dieser Maßnahmen entscheidet, muss sie das uns gegenüber schriftlich begründen.

Leider gibt es derzeit allerdings keine Ressourcen in der Hochschule die Diskriminierungsfälle nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens weiter zu begleiten und aufzuarbeiten. Die Antidiskriminierungskommission der ASH will sich perspektivisch auch um die Umsetzung der allgemeinen Handlungsempfehlungen kümmern.

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Auch die Ergreifung von Sofortmaßnahmen ist möglich. Wenn eine Beschwerde von einer Studierenden bspw. gegen eine*n Dozent*in vorliegt und die Betroffenen nicht weiter von diesem kontaktiert werden möchte, könnte die Aufforderung zur Unterlassung eine Maßnahme sein.
Wichtig zu wissen ist dabei, dass diese Sofortmaßnahmen nicht als Entscheidung in der Sache selbst anzusehen sind, sondern sich auf die Fürsorgepflicht der Hochschule beziehen. Diese muss gewährleisten, dass niemand weiter belästigt wird, auch bevor wir zu einem Schluss kommen, ob eine Diskriminierung vorlag.  Auch hier haben wir uns an der Arbeitsweise der UN-Ausschüsse  orientiert, deren Vorgehen folgendermaßen strukturiert ist:

  1. Prüfen der Zulässigkeit
  2. Die sogenannten Interims-Maßnahmen
  3. Entscheidung in der Sache

In all diesen Fällen zeigen sich auch strukturelle Lücken: Am Ende verfassen wir, genau wie der UN- Menschenrechtsauschuss, nicht nur eine individuelle, sondern auch eine allgemeine Handlungsempfehlungen gegen Diskriminierung an der Hochschule.

Die Beschwerdestelle befasst sich mit verschiedenen Gewalterfahrungen in Form von Diskriminierung oder sexualisierter Diskriminierung und Gewalt, Mobbing oder Stalking. Wie hoch ist der Anteil an Fällen von sexualisierter Gewalt?

Helin Yakut: Im letzten Jahr war es ein Drittel der Fälle, für dieses Jahr liegt noch keine Berechnung vor.

Welche Rolle spielt Macht im Kontext von sexueller Belästigung im Hochschulkontext?

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Jede Art von sexuellem Übergriff hat mit Macht zu tun.

Helin Yakut: Ich finde es wichtig zu sagen, dass sich wahrscheinlich ein Teil der sexualisierten Gewalt/ Belästigung unter Studierenden abspielt. In vielen Fällen passiert sexuelle Belästigung sicherlich außerhalb des Campus. Das heisst, sexuelle Belästigungen können auch innerhalb einer sogenannten „Statusgruppe“ und somit außerhalb der Hierarchien der Hochschule passieren, dabei spielen gesellschaftliche Machtverhältnisse trotzdem immer eine zentrale Rolle.

Kathrin Blaha: In diesem Kontext gibt es auch noch die Fragen und Sorgen darüber, welche Konsequenzen eine Beschwerde für den Ruf oder die Karriere der Betroffenen hat. Auch das ist ein großes Thema.

Ihr habt die Beschwerdestelle mit Menschen in verschiedenen Positionierungen besetzt. Könnt ihr erläutern warum?

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Eine Beschwerdestelle ohne studentische Vertretung wäre absurd. Ich finde es nur logisch die Beschwerdestelle mit Personen zu besetzen, die sich in verschiedenen Positionen in der Hochschule befinden. Im Idealfall sollte unsere Beschwerdestelle aus einem studentischen, einem akademischen und einem Verwaltungsmitglied bestehen.

Helin Yakut: Ich denke, dass die Betroffenen mehr Vertrauen in die Beschwerdestelle haben, weil zum Teil schon ein ganz anderer Kontakt besteht, wenn sie uns kennen.  Außerdem würden wir in unserer Arbeit vermutlich auch weniger anerkannt, wenn wir keine*n Professor*in in der Beschwerdestelle hätten.

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Zusätzlich ist es aber auch wichtig: Welche Positionierung hat eine Person im Leben? Ich bin bspw. auch eine Woman of Color.  Für die Arbeit in der Beschwerdestelle ist es wichtig, Personen aus verschiedenen Gruppen, Erfahrungen persönlicher Art sowie verschiedenen Expertisen zu haben.  Für die Arbeit in der Beschwerdestelle ist es sehr wichtig, Personen aus verschiedenen Gruppen, unterschiedlichen Erfahrungen sowie verschiedenen Expertisen zu haben.

Welche strukturellen Hürden bzw. Herausforderungen gibt es derzeit in eurer Arbeit als Beschwerdestelle?

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Solange unsere Arbeit auf Ehrenamt beruht, haben wir ein großes strukturelles Problem: Zurzeit macht Kathrin die Arbeit in ihrer Freizeit und Helin hat bis vor kurzen nur Sitzungsgeld erhalten. Erst neuerdings ist Helin als studentische Hilfskraft angestellt. Ich habe für die Arbeit in der Beschwerdestelle 2 Semester-Wochenstunden Lehrentlastung, die jedoch nicht den vollen Arbeitsaufwand abdecken können.  Die Stelle von Peps Gutsche in der Koordination ist die einzige Position, die vollkommen finanziert wird. Im letzten Jahr hatten wir 27 Sitzungen. Diese Sitzungen beinhalten jedoch noch nicht die Arbeit die mit einzelnen Beschwerdeprüfungen verbunden ist. Es ist also sehr zeitintensiv.

Helin Yakut: Ich denke die Qualität der Beschwerdeverfahren hängt stark davon ab, wer in der Beschwerdestelle sitzt. Ich habe die Hoffnung, dass wir durch unsere Arbeit eine Grundlage schaffen können, indem wir durch Präzedenzfälle Verfahrensweisen etablieren, die dann auch Bestand haben.

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Bis jetzt haben wir immer mit einem Konsensprinzip gearbeitet. Dabei folgen wir der Handlungslinie „Wenn schon eine von uns nicht überzeugt ist, wie sollen wir dann andere überzeugen?“. Das ist wichtig, um zu einer Begründung der Beschwerdeprüfung zu kommen, die auch vor der Hochschulleitung standhalten kann. Vor allem, wenn man bedenkt, dass häufig auch sog „Shadow Politics“ (Sara Ahmed) stattfinden, indem Täter dafür sorgen, dass die richtigen Personen auf ihrer Seite sind.

Kathrin Blaha: Unsere Diskussionen bauen dabei  auf dem Fundament eines gemeinsamen Verständnisses von Diskriminierungen auf.

Helin Yakut: Außerdem ist uns bewusst, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist und uns nur ein Bruchteil der Beschwerden über Diskriminierung tatsächlich erreicht. Das ist natürlich auch auf strukturelle Zusammenhänge zurück zu führen. Wir wissen auch noch nicht genau, wie wir mit Beschwerden umgehen sollen, die sich gegen die Hochschulleitung selbst richten. In diesem Fall gibt es einen Widerspruch, der sich nur schwer auflösen lässt, da in unserer Verfahrensweise die Hochschulleitung selbst die Handlungsempfehlungen vorgelegt bekommen würde und darüber entscheiden könnte welche Maßnahmen umgesetzt werden.

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Ein anderes Problem ist die Verbeamtung auf Lebenszeit, von denen viele Professor*innen und einige Verwaltungsmitarbeitende profitieren. Die Fälle, die wir hatten, hätten bis auf einen nicht für ein Disziplinarverfahren gereicht. Verbeamtete Professor*innen sind somit, mit Ausnahme der Hochschulleitung in der mächtigsten Position in der Hochschule. Ein deutliches Beispiel dafür ist die Situation von Promovend*innen, die aus meiner Sicht fast die gefährdetste Gruppe sind. Es ist unrealistisch anzunehmen, dass diese, nachdem sie 3-6 Jahre gearbeitet haben und kurz vor der Abgabe ihrer Arbeit stehen, z.B. bei einer sexuellen Belästigung wirklich „Nein“ sagen können. Es kommt zu einem starken Machtungleichgewicht, indem eine Seite verbeamtet ist und die andere Gefahr läuft alles wofür sie gearbeitet hat zu verlieren.
Ein weiteres Problem, wofür wir bis jetzt noch keine Lösung haben, ist außerdem die Position von wissenschaftlichen Mitarbeitenden. Diese sind bezüglich der Vertragsverlängerung von bestimmten Personen abhängig. Auch Studierenden in kleineren Studiengängen, die sich ihre Dozent*innen nicht aussuchen können haben ein hohes Risiko bsp. sexuelle Belästigung zu erfahren. In dem Fall kann es sehr schwierig sein eine Beschwerde gegen eine*n Dozent*in einzureichen, bei der sie ein Seminar besuchen müssen.

Was sind die wichtigsten Tipps und Hinweise, die ihr anderen geben könntet, die im Bereich Hochschule eine Beschwerdestelle etablieren wollen?

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Es ist notwendig die Grundlogik von Diskriminierung zu verstehen und, dass Diskriminierung immer ein anderes Gesicht hat. Es ist zudem wichtig zu überprüfen, welche Mitarbeitenden der Beschwerdestelle von welchen anderen Hochschulangehörigen abhängig bzw. in welcher Form weisungsgebunden unterstellt sind. So ergibt sich nämlich die Frage, wer was zu verlieren hat und wie durch das Einreichen einer Beschwerde Nachteile für Betroffene entstehen können.

Helin Yakut: Man braucht einen langen Atem. Vor allem in der Anfangszeit kann es, wie in unserem Fall zu starkem Gegenwind und negativen Reaktionen kommen. Wir haben während unserer Arbeit bspw. den sexistischen Vorwurf bekommen, dass wir eine „Hexenjagd“ veranstalten würden; dabei haben wir nur versucht, Studierende vor einer Person zu schützen, die nachweislich Grenzen aus einer Machtposition innerhalb der Hochschule überschritten hat.

Kathrin Blaha: Viele Institutionen schreiben sich gerne auf die Fahne diskriminierungssensibel zu sein, indem es bspw. eine Antidiskriminierungssatzung gibt. Wenn es dann aber praktisch wird, kommen dann aber doch häufig Stimmen, die die Arbeit der Beschwerdestelle, oder die Aussagen von Betroffenen anzweifeln.

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass sich derartige Angriffe gegen mich als Person gerichtet haben, indem ich z.B. als „prüde“, „extremistisch“ oder „voreingenommen“ bezeichnet wurde. Das kann Kraft kosten und dabei ist es natürlich wichtig sich bewusst zu machen, dass es sich dabei um Strategien von Beschuldigten und deren Unterstützer*innen handeln kann, um Vorwürfe zu entkräften. Es ist wichtig, dass die Hochschulleitung, der zugearbeitet wird, ein Grundverständnis von Antidiskriminierung hat und die Expertisen der Mitarbeitenden  in der Beschwerdestelle anerkennt. Wenn nämlich klar ist, dass eine Hochschule nur eine Deko-Beschwerdestelle haben möchte, kann man es auch gleich lassen.

Zum Abschluss: Könnt ihr uns ein positives Beispiel aus eurer Arbeit im Rahmen der Beschwerdestelle berichten?

Prof. Dr. Nivedita Prasad: Es gab einen Fall, der außerhalb des Campus der Hochschule stattgefunden hat, weshalb die Hochschulleitung der Meinung war, dass der Beschwerde nicht nachzugehen sei. Wir waren da anderer Meinung und haben uns dem Mandat angenommen, da sich der Effekt der erlebten Gewalt trotzdem innerhalb der Hochschule gezeigt hat. Diese Betrachtungsweise ist auch wichtig, um den digitalen Raum miteinzubeziehen. Später habe ich eine Studie gelesen, in der kritisiert wird, dass sich die Hochschulen nur Fälle anschauen, die auf dem Campus stattgefunden haben. Ich bin sehr stolz, dass wir uns, aus unserem Verständnis von Diskriminierung heraus, diesem Fall angenommen haben. Tatsächlich hat sich der Beschuldigte auch sehr einsichtig gezeigt. Ich finde gut, wieviel wir in unserer Arbeit durch die gemeinsamen Auseinandersetzungen und die Diskussionen miteinander lernen, das ist sehr wertvoll.

Helin Yakut: Es gibt kleinere und größere Erfolge, die wir feiern, wenn es uns beispielweise gelingt eine Diskriminierung als solche zu benennen und diese nicht ohne Konsequenzen bleibt. Ich denke, dass dies nicht nur im Einzelfall zu einer Veränderung führt, sondern dazu beiträgt, dass die Beschwerdestelle von Betroffenen genutzt wird.

Kathrin Blaha: Es ist eine große Sache ein Instrument zu haben, das uns befähigt eine Aussage darüber zu treffen, dass eine Diskriminierung stattgefunden hat. Auch das ist Macht und kann für die Betroffenen sehr bestärkend sein, indem das Unrecht, was sie erlebt haben anerkannt wird.

Dankeschön für eure Zeit und eure Expertise!

Das Interview führte unsere Praktikantin Lea Springer mit Unterstützung von Anita Eckhardt (makeitwork@bv-bff.de)