Partizipative Forschung im Prozess

Anliegen der Forschung

Der aktuelle medizinisch-klinische Diskurs fasst Gewalt vornehmlich als Trauma. Dies impliziert die Orientierung an Symptomen und an vorrangig (neuro)biologischen Erklärungsansätzen. Machtverhältnisse, Geschlechterverhältnisse und Erfahrungen der Betroffenen werden ausgeblendet. Feministische Fachberatungsstellen berücksichtigen diese ausgeblendeten gesellschaftlichen Kontexte in ihrer Arbeit. Ein Anliegen des Projektes ist es, in den aktuellen Diskurs um Trauma zu intervenieren, indem die Arbeitsweisen von feministischen Fachberatungsstellen gemeinsam mit den Beraterinnen entlang der folgenden Fragen untersucht werden:

  • Was ist die Spezifik einer kontextualisierten Traumaarbeit?
  • Wie werden die Grundsätze in der Beratung umgesetzt?
  • Gibt es Unterschiede zu symptomorientierten Traumakonzepten?

 Forschungsschritte

Das Projekt ist partizipativ ausgestaltet, das bedeutet gemeinsam mit den feministischen Fachberatungsstellen zu forschen und nicht über sie. Um das zu realisieren, fand im März 2015 ein erstes Austauschtreffen zur Idee des Projektes im bff statt. Aufgrund der positiven Resonanz wurde eine Forschungskooperative gegründet, in der zu Beginn 13 Frauenberatungsstellen und –notrufe  mitarbeiteten.


I. Die Mitgliedseinrichtungen der Kooperative füllten ab März 2015 einen offenen, umfassenden Fragebogen aus. Die Koordinator_innen führten flankierend vertiefende Expert_innen-Interviews.

II. Im November 2015 wurde ein partizipativer Forschungsworkshop durchgeführt, in dem die Mitglieder der Kooperative über die ersten Erkenntnisse und Folgeschritte im Projekt diskutierten. Aus der Auswertung der Fragebogenerhebung und der Diskussion im Forschungsworkshop wurden die Folgeschritte konzipiert.

III. Seit Mai 2016 untersuchen Mitglieder der Kooperative anhand eines Analyse-Schemas einen Beratungsprozess aus ihrer Beratungsstelle. Zudem werden einige lokale Photovoice-Projekte mit betroffenen Frauen in den jeweiligen Facheinrichtungen stattfinden.

Erste Ergebnisse

Die ersten Ergebnisse aus dem Projekt verdeutlichen die zentralen Grundsätze der feministischen Beratungsarbeit. Dazu gehören Selbstbestimmung im Beratungsprozess, Anerkennung der Gewalt durch das Umfeld und Bewusstseinsbildung über Gewalt, sowie die Berücksichtigung der aktuellen Lebensverhältnisse für die Bearbeitung von Gewalterfahrungen. Es wurde deutlich, dass die jeweiligen Probleme der Frauen mit Gewalterfahrungen miteinander verflochten sind und dass z.B. die Geschlechtsspezifik von Abhängigkeitsverhältnissen eine zentrale Rolle bei der Bearbeitung von Gewalterfahrungen spielt.

Partizipative Forschung stellt für die Forschenden eine Intervention dar. Die Mitglieder aus der Kooperative fordern, dass in der Arbeit mit traumatisierten Frauen wieder auf die Ursachen von geschlechtsspezifischer Gewalt geschaut werden muss – ein möglicher Begriff hierfür wäre ,Kontextbezogener Traumadiskurs‘. Das Politische soll wieder Eingang in den aktuellen Diskurs um Trauma finden.